WER IMMER SITZT, IST FRÜHER TOT.

Langes Sitzen erhöht das Sterberisiko, trotzdem bewegen sich die meisten zu wenig. Die Folgen: Es drohen laut aktueller Studien Herz-Kreislauf-Leiden, Diabetes und bestimmte Krebsarten.

Eigentlich ist ja schon lange klar: Wer rastet, der rostet. Viele kleinere Studien beweisen die positiven Eigenschaften von Bewegungen. Trotzdem sitzen Deutsche im Mittel sechseinhalb Stunden am Tag, junge Erwachsene sogar neun Stunden. Zu diesem Ergebnis kam die Studie „Beweg dich, Deutschland“ von der Techniker Krankenkasse. Nun gibt es eine weitere, viel größere Untersuchung – auch sie bestätigt die krasse Auswirkung von zu wenig Bewegung. Die Kernbotschaft: Wer mehr als neun Stunden am Schreibtisch sitzt, erhöht sein Sterberisiko. Das ist das Ergebnis einer Studie der Norwegischen Sporthochschule in Oslo, die in der britischen Fachzeitschrift the bmj veröffentlicht wurde. Die Wissenschaftler werteten Daten aus acht Studien mit über 36.000 Teilnehmern im Durchschnittsalter von rund 62 Jahren aus.

Schon ein wenig Bewegung minimiert das Risiko

Selbst eine geringfügige körperliche Aktivität am Tag senke das Sterberisiko schon erheblich, haben die norwegischen Forscher herausgefunden. Dazu zählt etwa täglich 30 Minuten Spazierengehen. Zu viel Sport hingegen bringt auch nichts, wie die Wissenschaftler betonen. Ab einer gewissen Grenze der täglichen körperlichen Bewegung wurde das Sterberisiko nicht weiter gesenkt.

Sitzen erhöht das Krebsrisiko

Durch Inaktivität erhöht sich das Risiko für Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch Wissenschaftler der Queen’s University in Belfast und der Ulster University kommen in ihrer Studie zu ähnlichen Ergebnissen. So sei das lange Sitzen ursächlich für neun Prozent der Dickdarmkrebs-Fälle, acht Prozent aller Gebärmutterkrebs-Erkrankungen, 7,5 Prozent der Lungenkrebs-Fälle, 17 Prozent aller Typ-2-Diabetes-Erkrankungen sowie fünf Prozent aller Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems.

Der Mensch wird sesshaft

Ein Wandel zu mehr Aktivität ist bislang nicht in Sicht. Mehr als ein Viertel der erwachsenen Weltbevölkerung, rund 1,4 Milliarden Menschen, bewegen sich laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO zu wenig. Selbst in Schwellenländern drohen dank größerem Wohlstand mittlerweile Leiden, die der Westen längst kennt. Wer hätte gedacht, dass sich Menschen in Kuwait (67 Prozent), Saudi-Arabien (53 Prozent), dem Irak (52 Prozent) und Amerikanisch-Samoa (53 Prozent) am wenigsten bewegen? In Deutschland geben die Zahlen ebenfalls Anlass zur Sorge. Mehrere Erhebungen zwischen 2002 und 2016 zeigten, dass sich 42 Prozent der Erwachsenen zu wenig bewegen. Darunter 40 Prozent der

Männer und 44 Prozent der Frauen. Zum Vergleich: In Finnland liegt der Anteil der Erwachsenen, die sich zu wenig bewegen, lediglich bei schlanken 17 Prozent. In Schweden bei 23 Prozent. Und mit den Jugendlichen sieht es global gesehen noch schlimmer aus. Vier von fünf Heranwachsenden bewegen sich zu wenig.

Bewusstsein für Bewegung schaffen

Physiotherapeuten können bei ihren Patienten ein Bewusstsein dafür schaffen, wie wichtig regelmäßige Bewegung ist. Und natürlich dazu beitragen, dass Patienten ihren eigenen Körper sensibilisieren. Etwa durch aktive Therapie, Sport-Apps und mit motivierender Begleitung. Psychologin Vivien Suchert rät in ihrem Buch „Sitzen ist fürn Arsch“ ausdrücklich dazu, sich soziale Unterstützung zu holen. Denn zu zweit lässt sich der innere Schweinehund leichter besiegen. Nur wenn die Patienten letztlich verstehen, warum sie welche Übung machen, können sie ihre Gesundheit nachhaltig verbessern.